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Writer's pictureJochen Garbers

Buchtipp: Never split the Difference

Updated: Jul 21, 2021

Verhandlungen mit Geiselnehmern und Geschäftsverhandlungen sind nicht das gleiche, schon klar. Chris Voss, der Autor von "Never Split the Difference" (deutsch: Kompromisslos Verhandeln" war Ex-FBI Unterhändler und behauptet, dass Geschäftsleute viel von den FBI Techniken lernen können. Kann das stimmen?


Absolut. Im Buchtitel kommt bereits zum Ausdruck, dass der Autor lauwarme Kompromisse nicht als gutes Verhandlungsergebnis akzeptiert. Bei Geiselnahmen verbieten sie sich sowieso, immerhin geht es um Leben und Tod. Was passiert, wenn man auch Geschäftsverhandlungen angeht, "als hinge das eigene Leben davon ab"? (Das ist der Untertitel des Buches).


Zunächst einmal wird man sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit dafür verwenden, die andere Seite besser zu verstehen. Ein wichtiges Instrument dafür ist das "Aktive Zuhören" ("Active Listening"). Das ist deutlich mehr als nur gut zuzuhören, was den meisten von uns bereits ziemlich schwer fällt. Aktives Zuhören besteht aus einer Reihe von Techniken, wie z.B. dem "Spiegeln" ("Mirroring"), "Schweigepausen" ("Silences") und der "Mitternacht Radiostimme" ("Late-Night FM DJ Voice"). Mit diesen Techniken soll der Gesprächspartner zum Reden gebracht werden, sei es dadurch, dass der Wohlfühlfaktor erhöht wird (Spiegeln und Mitternacht Radiostimme) oder eine bewusste Pause die andere Seite dazu bringt, die Stille durch Reden zu füllen.


Das klingt manipulativ (ist es wohl auch), aber es wird ein Zweck verfolgt, der letztlich beiden Verhandlungspartnern dient. Denn nur, wenn ich die andere Seite wirklich verstanden habe, kann ich eine für beide Seiten akzeptable Position formulieren (und später in der Verhandlung auch verteidigen). In diesem Zusammenhang warnt Chris Voss vor dem Wörtchen "ja", dessen Wichtigkeit Trainer und Verhandlungsbücher ("Getting to Yes") so betonen. Ein simples "ja" kann noch bestehende Unstimmigkeiten oder ein Unwohlsein überdecken. Statt dessen sollte man den Sachverhalt weiter klären, bis die andere Seite sagt: "genau so ist es".


Für "nein" bricht er dagegen eine Lanze. "Nein" zu sagen gebe den Gesprächspartnern das Gefühl von Kontrolle. Er geht sogar so weit zu raten, Fragen oder Emails bewusst so zu formulieren, dass ein "nein" der anderen Seite erwartet wird. "Wäre jetzt eine schlechte Zeit für ein kurzes Gespräch?" ist eine bessere Frage als "Hätten Sie jetzt Zeit?". Bei der ersten Frage bleibt die antwortende Person mit einem "nein" in Kontrolle und wir können von einer echten Gesprächsbereitschaft ausgehen. "Hätten Sie jetzt Zeit" produziert stattdessen möglicherweise ein lauwarmes "ja" und unser Gesprächspartner ist nicht wirklich bei der Sache. Den folgenden Satz empfiehlt er für eine "magische Email", auf die die Gegenseite definitiv reagiert: "Haben Sie dieses Projekt aufgegeben?" Auch hier reagiert die andere Seite mit einem "nein", und es kommt wieder Bewegung in die Verhandlung. Fragen mit erwarteter Antwort "nein" provozieren eine klare Antwort und sind das Gegengift zu "ja" Aussagen, bei denen "ja, vielleicht" oder "ja, weil das gerade die bequemere Antwort ist" gemeint ist.


Es ist kein Wunder, dass Chris Voss zu möglichst persönlichen Verhandlungen rät. Persönliche Verhandlungen ("face time") sind sehr wichtig, wenn man die Informationen erhalten will, auf die es schließlich ankommt. Diese Art von Informationen nennt er "Schwarze Schwäne" ("Black Swans"). Als Verhandler sollte man alles dafür tun, diese schwarzen Schwäne zu finden. Im persönlichen Gespräch geht das sicher am besten, danach kommt das Telefon und weit abgeschlagen dann Email etc. Was er wohl zu Video-Calls sagen würde? Ich persönlich bin skeptisch, mein persönlicher Wohlfühlfaktor ist da deutlich niedriger als z.B. am Telefon, und ich glaube, vielen geht es ähnlich. Vielleicht auch eine Generationenfrage.


Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Verhandlungsstrategie besteht in der Kunst des Neinsagens. Diesen Teil des Buches fand ich besonders interessant. Es geht bei einer Verhandlung nicht darum, mit immer mehr Worten immer neue Argumente für die eigene Position zu bringen. Zu lange Redebeiträge können die eigene Position sogar schwächen. Chris Voss verweist auf Studien, nach denen Lügner z.B. dadurch auffallen, dass sie besonders viel reden.


Was sollen all die Argumente auch bringen? Bei einer Preisverhandlung geht es nicht um "wahr oder falsch", sondern um "akzeptabel oder nicht akzeptabel". Argumente helfen nicht wirklich, um der anderen Seite klar zu machen, dass wir so nicht akzeptieren werden. Wie geht es besser?


Chris Voss empfiehlt "kalibrierte Fragen" ("calibrated questions") dafür. Das sind Fragen, die man nicht mit ja oder nein beantworten kann. Bestes Beispiel für diesen Fragentyp: "Wie soll ich das machen?". Der Trick besteht darin, dass die andere Seite sich nun unseren Kopf zerbrechen und Antworten finden muss. Das ist auf die Dauer anstrengend und zermürbt die Verhandlungspartner schließlich. Gleichzeitig ist die Frage aber nicht unfreundlich und hält das Gespräch in Gang. Dies ist die Art von Tipp, die man tatsächlich bei de nächsten Verhandlung berücksichtigen kann, klasse! Falls Sie das ausprobieren wollen: "warum" eignet sich nicht gut für diese Fragentechnik, weil es zu aggressiv wirkt.


Es lohnt sich, "kalibrierte Fragen" im Vorfeld der Verhandlung zu überlegen. Als Startpunkt werden im letzten Kapitel einige Beispielfragen genannt:

  • Was versuchen wir zu erreichen?

  • In welcher Weise ist das sinnvoll?

  • Worum geht es hier im Kern?

  • Wie wirkt sich das aus?

  • Was ist die größte Herausforderung für Sie?

  • Wie passt das zu dem, was wir erreichen wollen?

Fazit: Das Buch ist vom Praktiker für Praktiker geschrieben. Wer wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zur optimalen Verhandlungsführung sucht, ist hier aber nicht gut aufgehoben. Das Buch lebt von den vielen packenden Beispielen aus dem früheren Leben des Autors als FBI Unterhändler und seinem heutigen Geschäft als Unternehmensberater und Trainer. Chris Voss hat sich beim Schreiben des Buchs mit einem Journalisten zusammengetan, und dadurch ist es auch sehr kurzweilig zu lesen. Prädikat: sehr lesenswert und sogar als Ferienlektüre geeignet.






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