Kalkulieren Sie eigentlich immer noch mit der gleichen Anzahl von AU-Tagen (AU = Arbeitsunfähigkeit) wie vor Corona? Und wo wir schon dabei sind: wie kommen Sie eigentlich auf die Zahl? Könnten Sie einem neugierigen Kunden eine bessere Antwort liefern als “ist Standard bei uns?”
2 zusätzliche unproduktive Tage → 1% Verrechnungssatz erhöhen
Immer dann, wenn wir in der Zeitarbeit genau rechnen müssen, spielen unproduktive Zeiten eine große Rolle. Es gilt die Daumenregel: um 2 zusätzliche unproduktive Tage zu kompensieren, muss der Verrechnungssatz etwa 1% angehoben werden. Falls Sie in der Zeitarbeit arbeiten und jetzt meinen “was soll’s?”: bitte hier schlau machen. In diesem Metier ist es nun einmal keine gute Idee, Fünfe gerade sein zu lassen.
Wenn ich kalkool an Kunden und Interessenten ausliefere, stehen im entsprechenden Feld 15 Tage. Natürlich kann man das ändern, und in einigen Fällen wäre das sicher auch sinnvoll, darüber wird es in dem Artikel gehen.
Wo kommen die 15 Tage her? Aus dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse 2021 mit Daten aus dem Jahr 2020. Dort steht “Der für 2020 ermittelte Krankenstand von 4,14 Prozent entspricht einer durchschnittlich gemeldeten erkrankungsbedingten Fehlzeit von 15,1 Tagen je Erwerbsperson.” Ganz einfach also? Abwarten.
Quelle: TK Gesundheitsreport 2021, S.11
Auch am Wochenende wird eine Arbeitsunfähigkeit gezählt
Die Krankenkasse macht keinen Unterschied, ob der AU-Tag auf ein Wochenende oder einen Arbeitstag fällt. Bei der Einsatzkalkulation brauchen wir dagegen die Krankzeiten am Wochenende nicht berücksichtigen. Allerdings, sagt die TK, sind die Krankenstände am Wochenende deutlich niedriger. Genaue Zahlen werden nicht genannt, aber aus einer weiteren Grafik (TK Gesundheitsreport 2021, S.13) kann man ablesen, dass die Quote etwa 2%-Punkte niedriger liegt. Wenn wir diese Tage abziehen, kommen wir auf 13 AU-Tage, die für unsere Kalkulation relevant sind.
Erkältungskrankheiten in 2020 sehr niedrig
Interessant am Rande: Corona hat - zumindest in 2020 - keine erhöhten AU-Zeiten mit sich gebracht, die Zahlen waren sogar gegenüber 2019 etwas rückläufig. Des Rätsels Lösung: die Corona-Maßnahmen haben ganz fiese Bedingungen für die gemeinen Erkältungserkrankungen mit sich gebracht, die in 2020 weniger häufig vorkamen als sonst. Die aktuelle Omikron Variante ist aber - wie man weiß - deutlich häufiger anzutreffen als die Varianten des Jahres 2020. Meine Vermutung wäre, dass man das im nächsten Report auch sehen wird.
Zurück zu unserer Ausgangsfrage: mit wie viel AU-Tagen sollten wir rechnen? Der TK-Bericht ist da ein echter Augenöffner. Um es mal platt zu sagen: suchen Sie sich etwas aus.
Suchen Sie sich etwas aus
Schon in der Grafik oben sieht man, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei den AU-Zeiten gibt. Sie könnten also mit Fug und Recht bei einer Zeitarbeitnehmerin einen anderen Wert eintragen, als bei ihrem männlichen Kollegen. Aber Sie ahnen es jetzt vermutlich schon: dieses Spiel können Sie noch viel weiter treiben.
Quelle: TK Gesundheitsreport 2021, S.18
Gesundheitseffekt durch Abitur?
Es ist auch kein Geheimnis, dass der typische Helferjob in der Regel nicht von Akademikern ausgeübt wird. Auch hier gibt es einen statistischen Zusammenhang. Wer hätte gedacht, dass ein Abitur gesund macht? Achtung, das war Ironie - wir sind hier natürlich mitten im Bereich der Diskussion “Korrelation <> Kausalität”, aber damit werde ich Sie jetzt nicht nerven. Wir halten fest: Helfer haben in der Regel niedrigere Schulabschlüsse, damit sind statistisch höhere AU-Quoten verbunden und das sollte bei der Kalkulation eine Rolle spielen.
Quelle: TK Gesundheitsreport 2021, S.40
Als letzte Grafik möchte ich noch den Zusammenhang zwischen Berufsfeld und Arbeitsunfähigkeit bringen. Auch hier sieht man klar einen “blue collar / white collar” Unterschied. In zwei wichtigen Branchen in der Zeitarbeit - Metallberuf und Logistik - sehen wir etwa 20 AU-Tage und damit deutlich mehr als den Durchschnitt von 13 (Angaben jeweils für Männer über 365 Tage).
Quelle: TK Gesundheitsreport 2021, S. 36
Schauen Sie mal in den Gesundheitsreport rein, wenn Sie mögen. Lustig fand ich auch den Unterschied zwischen den Bundesländern. BaWü hat 7 AU-Tage weniger als Meckpom, liegt bestimmt am rauen Küstenklima.
Zum Schluss noch eine wichtige Klarstellung. Wenn Sie kalkulieren, tun Sie das erst einmal für sich selbst. Mit welchen Kosten muss ich hier tatsächlich rechnen? Bei einem älteren Arbeitnehmer sollten Sie also mit einem höheren Wert rechnen als bei einem jüngeren Arbeitnehmer, weil die Statistiken zeigen, dass es sich so verhält. Damit schaffen Sie für sich ein klares Bild über die tatsächlich zu erwartende Kostensituation.
Es ist aber eine andere Frage, ob Sie wegen dieser Kosten für den älteren Arbeitnehmer auch einen höheren Verrechnungssatz fordern sollten. Schauen Sie das mal mit der Kundenbrille an. Der ältere Arbeitnehmer Herr Alt wird vermutlich öfter fehlen (klarer Nachteil) und soll deshalb auch noch mehr kosten?! Da brauchen Sie schon eine Menge Glück, dass ein Kunde sich darauf einlässt. Natürlich darf der Arbeitnehmer teurer sein, wenn er z.B. qualifizierter ist als ein jüngerer Arbeitnehmer, aber das ist eine andere Geschichte. Aus Kundensicht ist bessere Qualifizierung ein Vorteil, aber höhere Fehlzeiten eben nicht. Überlegen Sie in dieser Reihenfolge: was wird ein Kunde bereit sein, für Herrn Alt zu bezahlen? Was muss ich an Kosten pro Einsatzstunde bei Herrn Alt unterstellen, wenn ich realistische Krankheitszeiten unterstelle? Wenn genug übrig bleibt, bieten Sie den Einsatz an.
Meine Empfehlung: nutzen Sie eine öffentliche, seriöse Quelle wie den Gesundheitsreport der TK, um die für Ihr Geschäft richtige Zahl an AU-Tagen zu ermitteln. Das hat zwei Vorteile: 1. Diese Zahlen können Sie (falls nötig) auch gut gegenüber den Kunden argumentieren und 2. sie sind deutlich belastbarer als Ihre eigenen. Wenn z.B. Ihre eigene AU-Quote niedriger liegt, könnte es ja daran liegen, dass Sie bisher einfach Glück gehabt haben und das dicke Ende noch kommt. Dieser Rat gilt natürlich nicht, wenn die eigenen Zahlen höher liegen und es dafür auch Gründe gibt (z.B. Arbeitsbedingungen, die schlecht für die Gesundheit sind).
Bleiben Sie gesund!
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